2016 | Klavier Duo mit Charlotte Torres

Die beiden Pianistinnen haben spielen seit 2016 regelmässig zusammen. Beide sind leidenschaftliche
Pianistinnen und Interpretinnen vom klassischem Repertoire, Neuer Musik und auch Improvisationen.

Emission im Radio von Jean-Michel Probst


DOROTEA BITTERLI schrieb am 13.09.2016 / Nr. 211 NZZ über das Duo:

Vier Hände spielen mit viel Herzblut

CHAM - Klavierrezital in der Villette: Es war eine unkomplizierte und direkte Begegnung mit zwei leidenschaftlichen Musikerinnen – wie es sie im klassischen Konzertbetrieb viel zu selten gibt.

VON DOROTEA BITTERLI

Judith Wegmann und Charlotte Torres sind beide klassisch ausgebildete Pianistinnen und üben manchmal bis zehn Stunden am Tag. Aber ihre Liebe gilt auch der Neuen und experimentellen Musik sowie der Improvisation. Die Französin Torres komponiert zudem selber. Dieses breite musikalische und kreative Spektrum führte sie zusammen, und das vierhändige Spiel auf dem Klavier ist daher nur eines ihrer gemeinsamen Projekte: Am Sonntag setzten sie sich, ganz in Schwarz gekleidet, in der Chamer Villette unter dem lichten Gebälk des Dachstocks an einen grossen schwarzen Schimmel-Flügel, den sie sich nun für fast eineinhalb Stunden teilten, während vom Balkon her die warme Spätsommer Seeluft hereinströmte.

Romantik pur

Die gebürtige Zugerin Wegmann, mit schwarzem Turban und grossen Silberohrringen, führte mit ein paar schlichten Worten in das Konzert ein. Es war ganz der romantischen Musik des 19. Jahrhunderts gewidmet, und zwar gleich dreien der bekanntesten Werke für vierhändiges Klavierspiel. Alle Ingredienzien der Romantik waren darin eingefangen: eine grosse Tiefe der Gefühle, Liebe und Melancholie, nächtliche Atmosphäre und subtile Poesie, Freude am Lied- haften und Begeisterung für fremdländische Exotik, Künstlerfreundschaft und Salon Stimmung.
Robert Schumann wurde für seine «Bilder aus Osten» op. 66 (1848) durch die arabische Maqama inspiriert, eine Gattung gereimter Prosa, zu welcher der Komponist Zugang hatte über Friedrich Rückerts Übersetzungen; der mittelalterliche Dichter al-Hariri er- schuf darin seine Hauptfigur Abu Said, den Schumann mit dem deutschen Eulenspiegel verglich und der ihm beim Komponieren seiner Impromptus ständig vor Augen stand. So entstanden sechs Vignetten, die mit ihrer breiten Palette an Klangmöglichkeiten gleich- sam kleine Wandbilder schufen, die fast schon programmatische Musik sind und auch heute noch bezaubern: Sie beginnen «lebhaft», sind «gesangvoll» oder «im Volkston» und enden «reuig andächtig».

Zwei Temperamente, ein Instrument

Wegmann und Torres spielten hingebungsvoll und auch in Körpersprache und Augenspiel sehr verbunden und verkörperten damit, was Schumann aus- gedrückt hatte: Musikduette werden leicht Herzensduette u. die Unterhaltung u. Sprache der verwandten Seelen; dann haben sie ihren schönsten Werth. Das vierhändige Clavierspiel bleibt doch der schönste erste Genuss.
Danach befragt, wie denn zwei unterschiedliche Künstlertemperamente auf einem einzigen Instrument zu einem gemeinsamen einheitlichen Ausdruck finden könnten, nannten beide Musikerinnen persönliche Freundschaft, ähnliche musikalische Neugier, Verwandtschaft im Fühlen.
Auch in ihrem zweiten Vortrag, Franz Schuberts Fantasie in f-Moll op. 103 (1828), wohl das bedeutendste Werk seiner Gattung und wenige Monate vor dem Tod seines Schöpfers entstanden,
war dies zu spüren. Sie blieben stets Seite an Seite, wenn es darum ging, abgrundtiefe Trauer, heftige Ausbrüche, kühne harmonische Strukturen und freie, überlegen gestaltete Form gemein- sam zu interpretieren.

Grosse Virtuosität

Felix Mendelssohns poetisches «Andante con variazioni» op. 83a (1841) schliesslich entführte die Zuhörer in einen Berliner Salon des alten Preussen. Ein schlichtes liedhaftes Anfangsthema wurde in acht subtilen Variationen ständig verwandelt, einmal in sanftem Legato, dann wieder mit Vivace-Rasanz oder hämmerndem Martellato-Stil, bis hin zur orchestral angelegten Finalvariation, der eine flotte Coda in Form eines Allegro assai vivace angefügt war. Die Virtuosität, welche auch dieser Variationszyklus voraussetzte, stand beiden Pianistinnen fraglos zur Verfügung.
Dieses hochkarätige Konzert hätte mehr Zuschauer verdient, als an diesem Nachmittag in die Villette gefunden haben. Ab November 2016 ist jedoch das Pianistinnen-Duo wieder zu hören – mit George Crumbs Werk «Celestial Mechanics – Cosmic Dances for amplified Piano».